Der Begriff Installation leitet sich vom lateinischen installare ab. Etwas wird „eingerichtet“, ortsbezogen und oftmals raumgreifend. Zum Auftakt für das Ausstellungsjahr 2014 widmet sich der Nassauische Kunstverein Wiesbaden mit einer international besetzten Gruppenschau dem künstlerischen Medium Installation. Die Etymologie des Begriffs, der seit den 1970er Jahren für die Bildende Kunst situationsbezogene Raumarrangements beschreibt, dient dem Konzept dabei als Inspiration: Die Ausstellungsräume, in einer Villa aus dem 19. Jahrhundert, haben den Charakter von zwei übereinanderliegenden, fast identischen „Wohnetagen“ mit diversen „Zimmern“. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sind eingeladen, jeweils eines dieser „Zimmer einzurichten“. Der Blickpunkt soll hierbei nicht auf einen inhaltlich-thematischen Titel und damit einen kuratorischen Überbau gelenkt werden, sondern vielmehr gezielt auf die Wahrnehmung des Vorhandenen aus möglichst verschiedenen Perspektiven um multiple Einblicke, Eingänge und Durchgänge zu ermöglichen und neue Blickachsen zu eröffnen. Der Titel INSTALLATIONSANSICHT spiegelt dieses Vorhaben wider, ohne vom Wesentlichen, der Kunst im Raum, abzulenken.
Zu Beginn des Rundgangs bittet SIMON SPEISER die Besucher, Platz zu nehmen. Aus einem Gaming Chair, einem speziellen Sitzmöbel zur Intensivierung des Eintauchens in die digitale Erlebniswelt, konzipierte SPEISER ein interaktives Werk mit eigens komponierter Tonspur und hinterfragt, inwieweit Fiktion nicht schon längst Bestandteil der konsumierbaren Realität geworden und mit dieser verschmolzen ist. Die raumfüllende und archaisch anmutende Installation von SANDRA MEISEL abstrahiert raumfüllend das Motiv eines Altarretabels. Die Ausmaße der Installation sind an die Dimension des Raumes angelehnt, den die Künstlerin für ihr Werk einnimmt, ihn strukturiert und akzentuiert ‒ eine künstlerische Vorgehensweise, die auch die transluzenten Installationen von JONG OH auszeichnen, der den Raum als Bildträger aufzufassen scheint. Denn seine minimalistischen Rauminstallationen wirken wie elegant-abstrakte Zeichnungen, die er mit scheinbar mühelosem Strich und schwerelos in den Raum setzt. Wie man sich mit einer alltäglichen Handlung einen Raum aneignet, demonstriert auf ironische Weise der Film „How To Sweep“ von TOM SACHS. Mit einem kunsthistorischen Rückgriff auf die Tradition von fluxistischen Handlungsanweisungen verlagert der Künstler das Saubermachen von der banalen Verrichtung zu einem hochspezialisierten und effizienten Arbeitsvorgang mit meditativem Potenzial. Auch AIKO TEZUKA dekonstruiert Alltägliches, jedoch sind ihre zwischen Zartheit und Schwere changierenden Installationen und Objekte mit Textilien als Ausgangsmaterial, und damit haptischen Materialien, verbunden. Indem sie die im Material verborgenen Ebenen und Geschichten in einem aufwändigen und zeitintensiven Prozess freilegt, schafft sie zugleich neue Sichtweisen auf Strukturen und Metamorphosen. Einen zeitlichen Prozess unterläuft auch das Objekt „Bag Bang“ der Künstlerin SANDRA KRANICH und zwar im Rahmen der Ausstellungseröffnung. An die künstlerische schloss KRANICH auch eine pyrotechnische Ausbildung an; so darf zu Recht vermutet werden, dass der Titel „Bag Bang“ [Taschen-Peng] nicht nur lautmalerische Qualität aufweist. Einem Urknall gleich breitet sich die ausladende Installation „Memory of a File (Let Go or Be Dragged)“ von NICK MAUSS im Raum aus, ein Konglomerat aus silbernem Mesh, Latten und durch einen mehrmaligen Kopiervorgang verblassten Fotografien des katalanischen Künstlers Josep Maria Sert (1876‒1945). Der Titel deutet die Ambivalenz im Begehren an, Dinge fassbar zu machen, die sich stets nur (verblasst in der Erinnerung) darstellen und diese zugleich verwerfen zu wollen. Farbe ist der Ausgangspunkt in den Installationen von ALONA RODEH und YONATAN VINITSKY. Wie ein Farbband ziehen sich industriell glänzende Streifen in Schwarz, Rot und Gelb über einen grell beleuchteten Raum. Die Idee, die minimalistische Ästhetik einer Tankstelle, wie sie vielfach in der Peripherie auftaucht, aufzugreifen und in einen Ausstellungsraum zu übertragen, realisierte RODEH erstmals im Jahr 2000. Ihre Recherche ergab, dass die perfekte Farbfolge für Tankstellen diejenige der deutschen Bundesflagge ist ‒ und damit in ihrem Heimatland Israel unmöglich, nahezu verboten. VINITSKY greift als Material für sein eigenes, konzeptuelles Schaffen das Werk verschiedener Künstlerinnen und Künstler auf. Im Kunstverein rekonstruierte er vor der Eröffnung für einen Tag eine Installation des Künstlers Blinky Palermo, der mit 33 Jahren ‒ VINITSKYS eigenem Alter im Jahr 2014 ‒ jung verstorben ist, inklusive ihrer Entstehung. Die Installation, als Zwischenschritt der Erarbeitung des eigenen Werks, besteht nur noch als photographisches Dokument.
Mit dem Blick auf das Wesentliche ‒ die vielfältigen subjektiven Rauminterpretationen der Künstlerinnen und Künstler ‒ verknüpft sich wiederum die eigene „Installation“ innerhalb der Ausstellung in der Rolle des Betrachtenden, im Dualismus zwischen aktiv und passiv: Inwieweit richte ich mich gedanklich im Werk ein, und lässt dieses es zu, dass ich mich darin einrichten darf?