02.09.2010 - 14.11.2010
Zeichner, Lithograph, Holzschneider, Büchermacher, Plastiker, Maler – ein vielfältiger Weg führt den Künstler durch fünf Jahrzehnte seines Tuns in unterschiedlichen Techniken vom Zeitgeist zur Geistzeit, vom Reagieren zum Deuten.
Die 60er Jahre sind, nicht nur in Deutschland, geprägt von gesellschaftlicher Veränderung. Zunächst erfolgt Jägers Schnitt durch Dinge, Menschen und Tiere - anatomische Studien, mikroskopische Sichtweisen. Von fantastischen und grotesken Figuren geht ein kritisch-boshafter Kommentar aus.
In den 70er Jahren beruhigt sich der wilde Aufbruch zugunsten des Gegenübers, des menschlichen Profils. Die Analyse des Gesichtes, aus der Qualität linearer Strukturen, ebnet den Weg zu seinen Reihen, Faltungen, zu der Gliederung und Deutung menschlichen Schicksals.
Die 80er Jahre definieren Einzelwesen, Paar und Gruppe, Individualität und Vermaßung in eruptiver Farbe. Jäger gelangt darüber zum Wesenskern. Die Figurenmauern und Einzelfiguren, Gesichter und Masken der 90er Jahre wachsen zum Figurenkabinett, den „Prototypen“.
Auch dem Bildhauer gilt ein Kapitel unserer Ausstellung. Die Umsetzung der „Prototypen“ als Stadtzeichen soll das Staunen fördern und das urbane Leben mitgestalten. Die Bilder der letzten zehn Jahre sind ein Fest an Farbe, getragen von tiefer menschlicher Erkenntnis. Seine Kunst ist nicht etwa weltfern geworden. Sie erfüllt sich noch immer im Heute, lebt aus dem veränderten Bewusstsein. Von der Ironie, dem Spott und der Verzweiflung der frühen Jahre wandelt sich seine malerische und inhaltliche Struktur aber zu Eindringlichkeit und Beständigkeit.
Friedhelm Häring