Mit ihrer Wortschöpfung hat Eva Bruszis offenbar auch eine stilistische Wende vollzogen. Ihre „Anchogramme“ übersetzt sie selbst mit Lebensbilder oder -muster und sieht in ihnen eine Zusammenschau ihrer bisherigen künstlerischen Arbeit. Dabei nimmt das antike Anch unter all den Schriftzeichen und Symbolen, bekannten und rätselhaften Piktogrammen bereits im früheren Werk der Grafikerin eine Schlüsselstellung ein. Sie hat es hervorgeholt aus dem scheinbaren Labyrinth der altägyptischen Hieroglyphenschrift und zum Leben erweckt. Das Henkelkreuz gilt den koptischen Christen bis heute als das wahre Zeichen, das Leben, Tod und Auferstehung miteinander vereint – urchristliche Symbolik aus heidnischer Quelle. Greifen andere Künstler figürlich auf Mythologie und Geschichte zurück, gelingt Eva Bruszis mit grafischen Symbolen eine neue Sicht und Gestaltung der Vanitas-Problematik in originärer, teils verschlüsselter Handschrift. Dabei finden sich deutliche Spuren, wie sich eine Analogie von Onto- und Phylogenese des menschlichen Wissens im individuellen künstlerischen Bewusstsein heute spiegeln kann.
Die Anchogramme setzen die Suche nach der Wunderblume fort, auch die nach dem Schlüssel des Lebens, der ein Tor auf-, aber ein anderes verschließt. Wie die Sehnsucht nach Inseln, den eigentlichen Traumwelten, in denen wir lernen, dass Glück mit hohen Gefühlen kommt und schmerzvoll geht. Es ist die Lust und Last der edanken, die uns beglücken, aber auch beunruhigen. Bruszis‘ Lebensbaum-Rune, die sie nicht ohne das Anch denken mag, steht für die nie ermüdende Hoffnung. Zwischen dem Alpha und Omega des eigenen Schicksals liegen viel mehr Zeichen, als bisher angenommen.