Die Stiftung Niedersachsen vergibt 2015 zum neunten Mal den »SPECTRUM« Internationaler Preis für Fotografie. Er wird an Hannah Collins verliehen. Damit wird eine Künstlerin geehrt, deren Werk das Spektrum fotografischer Ausdrucksweise entschieden geweitet hat.
Hannah Collins, geboren 1956 in London, fiel Mitte der 1980er-Jahre mit großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien auf. 1993 wurde sie für den renommierten Turner-Preis nominiert. Präsentationen unter anderem im Centre Pompidou, Paris, im Museo de Arte de la Universidad Nacional de Colombia, Bogotá, und im Walker Art Center Minneapolis, würdigten ihr Schaffen.
Auf Spuren, die die eigene Biografie legt, folgt Hannah Collins, Tochter eines polnischen Juden, den Bewegungen der Heimat- und Ortslosen; derer, die sich der Orte und Modalitäten ihres Seins nicht sicher sein können, um sie ringen, sie gegen das Denken ihre Zeit behaupten müssen. Performative und dokumentarische Verfahren überlagern sich in Bildern von Räumen, Situationen und Objekten von großer poetischer Kraft. Diese speist sich aus den Überblendungen innerer Landschaften und realer Gegebenheiten.
Das große Thema von Hannah Collins ist die Geworfenheit der Existenz, aber auch jene Kraft, die sich dagegen behauptet, und das Wissen, das diese Spuren transportiert: In den frühen Jahren baut Collins Bilder in ihrem Studio. Anfang der 1990er-Jahre geht sie in Polen den Spuren der Vernichtung der jüdischen Kultur in monumentalen Bildern nach: in einer Aufnahme jener Straße, die nach Auschwitz führt; in einem Blick auf einen jüdischen Friedhof, den sie "Hunters Space" nennt. Bild und Sprache stehen in ihrem Werk stets in einer symbiotischen Beziehung.
In Südafrika folgt sie jener Straße, die Nelson Mandela auf dem Weg zwischen Kindheit und politischem Wirken beging. In Istanbul findet sie ikonische Bilder für das Aufeinanderprallen der europäischen und der asiatischen Kulturen. In Südamerika folgt sie dem „wilden Denken“, das von jener symbiotischen Beziehung zwischen Mensch und Natur spricht, die es in der westlichen Kultur neu zu entdeckend gilt. In der Wüste Kaliforniens recherchiert Hannah Collins auf den Spuren Noah Purifoys, eines Künstlers, dessen Werk den Freiheits- und Selbstbestimmungskampf der schwarzen Community in den USA radikal und auf ästhetische Weise – unter anderem in Bezug auf Kurt Schwitters – formuliert.
Hannah Collins’ Arbeiten sind getragen von einer poetischen Melancholie, die zu einer Positionierung gegenüber der Geschichte des 20. Jahrhunderts als einer in vielen Facetten gelebten, individuellen Geschichte fordert. Darin liegt der besondere, demokratische Gestus ihres Werkes.