06.07.2012 - 02.09.2012
Vor zwei Jahren war sie mit drei großformatigen Arbeiten aus der Serie "Real Beauty" in der viel beachteten Ausstellung "Südafrikanische Fotografie 1950 bis 2010. Apartheid, Struggle, Democracy. " im Stadthaus vertreten. Nun widmen wir der südafrikanischen Dokumentarfotografin Jodi Bieber (*1966) eine umfangreiche Einzelausstellung - ihre erste in Deutschland.
Die in Johannesburg aufgewachsene Jodi Bieber absolvierte ihre Fotografen-Ausbildung zunächst am Market Photography Workshop in Johannesburg, einer 1989 von David Goldblatt gegründeten Fotoschule und Galerie. 1993 ging sie zur damals größten Tageszeitung Südafrikas The Star in Johannesburg, wo sie zunächst unter der Leitung von Ken Oosterbroek weiter ausgebildet wurde. Für The Star arbeitete sie auch während der ersten freien demokratischen Wahlen Südafrikas. Der internationale Durchbruch gelang Jodi Bieber drei Jahre später: 1996 wurde sie eingeladen, an der Masterclass von World Press Photo in Amsterdam teilzunehmen, einer von Joop Swart initiierten, weltweit renommierten Fortbildung für junge, hoch begabte Fotografen unter der Leitung von etablierten Fotojournalisten. Nachfolgend bekam Jodi Bieber Aufträge von Zeitschriften wie dem New York Times Magazine, GEO oder dem Stern, auch arbeitet sie für Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder amnesty international. Heute ist sie als Pressefotografin auf der ganzen Welt unterwegs.
Bewegende und aufrüttelnde Bilder von Menschen am Rand der Gesellschaft bringt sie mit. Das Porträt der von ihrem Ehemann an Nase und Ohren verstümmelten 18-jährigen Afghanin Bibi Aisha, das im August 2010 als Covermotiv des TIME Magazine um die ganze Welt ging und äußerst kontroverse Diskussionen auslöste - darf man, muss man das zeigen? Ist das ein Plädoyer für den Krieg? - dieses Porträt wurde mit dem World Press Award als bestes Foto des Jahres 2010 ausgezeichnet.
Im Stadthaus präsentiert Jodi Bieber nun die Entwicklung ihres fotografischen Werks in den letzten gut 15 Jahren. Afrikanische Menschenbilder einer jungen Generation und insbesondere die Rolle und das Selbstbild der modernen afrikanischen Frau rückt Bieber in den Fokus. Sie schildert den Alltag im südlichen Afrika zwischen neuem Selbstbewusstsein und einer Gesellschaft, die von Kriminalität und Gewalt erschüttert wird.
Fotografien aus sieben Werkzyklen sowie einige einzelne Arbeiten zeigen die ganze Bandbreite von Jodi Biebers fotografischem Schaffen. „Between Dogs an Wolves“ setzt sich mit dem latent mit Angst besetzten Alltag von Kindern und Jugendlichen im Südafrika der 1990er Jahre auseinander; „Going Home: Illegality and Repatriation, South Africa to Mozambique“ zeigt das Problem von illegaler Einwanderung; „Soweto“ berichtet über das Lebensgefühl der Schwarzen nach dem Ende der Apartheid und das Aufblühen Sowetos vom Ghetto zur urban gestalteten Stadt; „Real Beauty“ ist eine 2008/09 entstandene Serie von Frauenporträts abseits von gängigen Klischees; „Women who murder their husbands“ und „Survivors of Domestic Violence“ zeigen Porträts afrikanischer Frauen, die dem Teufelskreis häuslicher Gewalt entkommen sind, und schließlich „Las Canas“ über die Bewohner eines „Drogendorfes“ im europäischen Valencia.
„Between Dogs and Wolves. Growing up with South Africa“ entstand zwischen 1994 und 2001. Die Schwarz-Weiß-Serie zeigt die Schattenseiten des von Armut, Gewalt und Unterdrückung geprägten Alltags von Kindern und Jugendlichen am Ende der Apartheidsära: Bilder, die durch eine bleiernen Schwere und Traurigkeit geprägt sind. Die Fotografin tauchte für diese Dokumentation tief in die Welt des schwarzen Bandenwesens in Johannesburg, aber auch in das Leben der ländlichen Provinz (Northern Cape) ein. Sie porträtiert die Menschen über alle Rassengrenzen hinweg und zeichnet ein eindruckvolles Bild von den Rändern der Südafrikanischen Gesellschaft. Der Titel bezieht sich auf ein Sprichwort, das besagt, dass man in der Dämmerung nicht unterscheiden kann, ob man einem Hund oder einem Wolf gegenübersteht.
„Going Home: Illegality and Repatriation, South Africa to Mozambique“ heißt die 2001 veröffentlichte, ebenfalls schwarz-weiße Serie über das auch in Südafrika virulente Problem der illegalen Einwanderung. Über 180.000 Menschen wurden jedes Jahr durch die Südafrikanischen Behörden abgeschoben - meist unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Mit Gewalt und Krimialität beschäftigen sich auch die Serien „Women who murder their husbands“ (2005) und „Survivors of Domestic Violence“, zu dem auch ein Video gehört, das in der Ausstellung gezeigt wird. Eindrucksvoll führt Bieber hier vor Augen, wie sich Gewalt bis in die Privatsphäre hinein fortsetzt. Sie erzählt Geschichten von Opfern und Tätern und von Opfern, die zu Täterinnen werden.
Das Alltagsleben in Soweto, dem ehemaligen Township für Schwarze bei Johannesburg, das sich nun in Freiheit zu entwickeln vermag, erkundete Jodi Bieber 2008/09. In Farbe zeigt sie in ihrer Serie "Soweto" die Aufbruchstimmung, Porträts voller Selbstbewusstsein und Lebensfreude, ohne jedoch zu idealisieren. Bescheidenen Wohlstand und ein Gefühl der Souveränität strahlen diese Menschen aus, eine Identitätsfindung zwischen Traditionsbewusstsein und Modernität.
In der gleichen Zeit entstanden auch die Porträts der Serie "Real Beauty“. Hier setzt sich Jodi Bieber mit den Körperidealen der modernen Mediengesellschaft auseinander, die auch in Südafrika präsent ist. Bei Bieber tauchen die Werbebilder allerdings gar nicht auf. Das müssen sie auch nicht, denn die immer und immer wieder reproduzierten Schönheitsideale sind in unserer globalen Medienwelt so omnipräsent, dass jeder Betrachter sie vollständig internalisiert hat. „Wirkliche Schönheit“ - der Titel macht von Anfang an klar, dass für Jodi Bieber der Gegensatz zwischen dem Medienbild und ihrem realen Bild nicht zwischen „perfekter Schönheit“ und „hässlicher Realität“ verläuft. Sie will den Frauen ihre Würde und den Stolz auf ihren Körper zurückgeben, wenn sie ihre zumeist nicht den Modenormen entsprechenden Modelle als die wahren Schönheiten darstellt, die sich nur in Unterwäsche gekleidet selbstbewusst den Blicken der Betrachter stellen.
Das Stadthaus Ulm baut mit diesem Projekt auf seiner Ausstellung "Südafrikanische Fotografie 1950 - 2010. Apartheid, Struggle, Democracy" auf, mit der es im Sommer 2010 zum genaueren Blick auf den aus über 50 Staaten bestehenden und von über einer Milliarde Menschen bewohnten Kontinent anregte.