03.03.2008 - 13.04.2008
Anja Luithle bezieht sich mit ihren Arbeiten sehr genau auf das Thema des Jahres im Stadtmuseum - sie präsentiert Kleid- und Wandobjekte, Alltagsleben und Tafelbilder und alles "GANZ IM ZEICHEN DER FRAU". Die Künstlerin, 1968 in Offenbach am Main geboren, hat sich ganz den schönen Körperhüllen verschrieben und arbeitet mit einem typisch weiblichen Material. Ihre Kleidobjekte und Figurinen bestehen tatsächlich aus Textil. "Die Figuren entwerfe ich, nähe sie selbst und verarbeite sie weiter. Das sind schon lange Arbeitsabläufe. Seit Neuestem baue ich einen Kern aus Glasfaser und Epoxidharz und dieser Kern wird dann mit der Hülle von Hand übernäht und mit Harz getränkt und später lackiert. Das hat den Vorteil, dass die Arbeit unempfindlicher als mit offener Stoffoberfläche ist. Trotzdem bleibt eine stoffliche Struktur erhalten" ,erläutert Anja Luithle. Die Kleid-Objekte haben als zweite Haut einer weiblichen Figur traditionell Taille und Dekolleté und zeichnen die weibliche Anatomie nach.
Kleider machen Leute: Anja Luithles mechanische Frauenbilder sind einzigartig, sie erzählen von Frauen, ohne sie selbst zu zeigen und lassen so Bilder von Weiblichkeit entstehen. In ihren aufwändigen Installationen hat Anja Luithle eine Möglichkeit geschaffen, die emotionale Ebene des traditionellen Frauenbilds, das sich auf typische körperliche Eigenschaften gründet, in Apparaturen umzusetzen, die diese Gefühlsebene immer neu abrufbar machen. Es ist Haute Couture mit dem besonderen Kick, denn ihre mechanischen Kleider und Objekte sind interaktiv und bekommen durch die Präsenz des Publikums ein Eigenleben.
"Das, was man nicht sieht, ist das Wichtigste.
Es geht mir vor allem um die Imagination des Betrachtenden." (Anja Luithle)
Mit ihren sinnlichen Kleidobjekten, die auch entrückt und märchenhaft anmuten können, gelingt es der Künstlerin dem Publikum auf "schöne" Weise einen zum Teil sehr provokanten Inhalt nahe zu bringen. Ihre Objekte hinterfragen die Authentizität von Rollenbildern, die Festlegung auf weibliche Eigenschaften und stellen immer wieder ironisch Klischees und die Mehrfachbelastungen des Alltagslebens an Frauen zur Disposition.
Ironisch arbeitet sie mit Schlagwörtern: Ihr "Auslaufmodell" ist ein Büstenobjekt mit genähtem Pulloveroberteil mit einem Wasserhahn, aus dem rot der Lebenssaft heraus zu fließen scheint. Ein gelbes Kleidobjekt schwebt in geringem Abstand über den Boden und präsentiert sich wie ein Schweizer Käse mit vielen Löchern, so sehr wird an ihm genagt, so viele Zugeständnisse verlangt das Leben. Die einzelnen Löcher sind mit Stöpseln verschlossen. Andere Kleidobjekte bieten Angriffspotential. Ein großes Objekt der Hattinger Schau mit dem Titel "griffbereit" schwebt über den Boden und hat innere Werte, es ist innen vergoldet, am Schlitz ist das Gewand mit einem Griff besser zu handhaben.
"Manchmal sind es Wörter, Wortspiele, manchmal sind es eigene Emotionen oder ich versuche meine Beobachtungen über Menschen, bzw. deren innere Befindlichkeiten in verschlüsselte Metaphern zu übersetzten. Mich interessiert die innere Wirklichkeit. Oder auch die Sprache des Körpers. Manchmal gibt es einfach ein Bild, da ist alles fix und fertig im Kopf. Oder es ist ein Entstehungsprozess, der länger dauert. Vor der Ausführung versuche ich, soviel wie möglich zu klären, denn wenn es ohne Plan losgeht, ist die Gefahr groß, dass man sich total verzettelt. Aber man kann im Schaffensprozess auch viele Entdeckungen machen, auf die man sonst nicht gekommen wäre. Auch bei der Kinetik ist das so. Man kann es sich manchmal eben einfach nicht vorstellen. Und plötzlich entsteht etwas ganz Unvermutetes. Das ist auch toll. Die Arbeit ist immer im Prozess." (Anja Luithle)
Ein zentrales Stück der Hattinger Ausstellung ist der spektakuläre "Kaffeetisch", auf dem mehrere Kaffegedecke durch unsichtbare Technik in Bewegung und eine Choreographie gebracht werden. Hier gelingt es der Künstlerin im menschlichen Maßstab des Alltags, die Interaktion von Gruppen und damit das Miteinander der Gesellschaft bildlich zu thematisieren und Anschauungsmaterial für eigen Schlussfolgerungen der Betrachter zu geben.
Eine lange Installation von Büstenobjekten an der Wand stellt sich als Galerie der Frauen und ihrer Schicksale dar. Jeweils sind in weiße oder schwarze Korsagenoberteile mittig kleine Schaukästen eingelassen, in denen die imaginären Frauen offenherzig Einblick in ihr Innerstes geben. So haben einige besonders schöne, irisierende Schmetterlinge im Bauch, andere Rosendornen usw. Wieder andere verstricken sich mit roten Bändern, legt ihnen das Frauenklischee doch immer wieder Fesseln der ge-sellschaftlichen Erwartungshaltung an.