27.02.2009 - 22.03.2009
Ort: Kabinett zum Main
Im Mittelpunkt der sechsten Ausstellung der Reihe "Fokus auf" steht die knapp 40 cm hohe bronzene Figurengruppe "Faun" des französischen Bildhauers Auguste Rodin. Entnommen aus dem kleinteiligen Programm des ab 1880 entwickelten "Höllentors" – dem ursprünglich zweiflügeligen Bronzeportal zum Pariser Musée des Arts décoratifs – und um das Jahr 1885 fertiggestellt, wirft diese zahlreiche Fragen auf: Warum haben ihre zwei Figuren – ein bocksbeiniges männliches Wesen und eine ihn bestürmende weibliche Gestalt – so merkwürdige Proportionen? Wie kam Rodin zu jener aufwühlend-bewegten Darstellung des Faunenpaares? Und wieso kombinierte er zwei inhaltlich nicht zueinander gehörige Figuren zu einem komplexen Werk? Dies zu klären ist Ziel der Ausstellung "Fokus auf Auguste Rodin: Faun/Le vieil arbre/Le vieux chêne, um 1885 (Inv. Nr. SGP 6)". Das Thema der nach wie vor eigenwilligen wie irritierenden Figurengruppe – die wilden Waldwesen in entfesseltem Zueinander –, ihre Erwerbs- und Publikationsgeschichte sowie der Einsatz einer Assemblage als künstlerisches Mittel werden für den Betrachter anschaulich gemacht.
Als Auguste Rodin im Jahr 1880 einen Staatsauftrag für das monumentale Portal des Musée des Arts décoratifs annahm, konnte er nicht ahnen, dass dieser sich zu einem Lebenswerk entwickeln sollte: Annähernd 37 Jahre und bis kurz vor seinem Tod arbeitete der Künstler am "Höllentor" (La porte de lÂ’enfer), das er selbst stets als "Die Tür" bezeichnete, doch gänzlich fertig werden sollte das Monumentalrelief nie. Trotzdem fertigte der Bildhauer im Laufe der Jahre annähernd 200 einzelne Figuren an, sodass das Tor schon zu Lebzeiten Rodins umfangreichstes und bedeutendstes Werk darstellte. Neben dem Non-finito, dem Fragmentarischen, Unvollendeten, das sich auch in vielen anderen Arbeiten Rodins widerspiegelt, eint die Gestalten vor allem ihre ungestüme und wilde Darstellungsweise. Inspiriert von Dante Alighieris "Göttlicher Komödie", in der die Jenseitsreise durch Hölle, Fegefeuer und Paradies geschildert wird, schwanken und stolpern auch die Zentauren, Riesen, Sirenen und Faune, die der französische Bildhauer schuf, aneinandergedrängt und fortschreitend dem "ewigen Leid" entgegen. Dabei stand für Rodin die Auseinandersetzung mit der Form im Vordergrund: Sie war für ihn trotz seiner Fähigkeit, der menschlichen Figur emotionalen wie geistigen Ausdruck zu geben, wichtiger als der enge Anschluss an Dantes Text. So erläuterte der Bildhauer 1912 in einem Gespräch sein Verhältnis zur literarischen Vorlage: "Die Kunst kann tatsächlich den Geist und die Phantasie beschäftigen, ohne Literatur irgendwie in Anspruch zu nehmen. Man muss den Themen, die man behandelt, nicht allzu viel Bedeutung beilegen."