15.02.2010 - 07.03.2010
In einem Gemeinschaftsprojekt präsentieren das MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main und das Städel Museum vom 28. November 2009 bis 7. März 2010 die Ausstellung "Peter Roehr - Werke aus Frankfurter Sammlungen". Die Ausstellung umfasst rund 100 Arbeiten aus allen Schaffensperioden und Werkgruppen des Frankfurter Künstlers (1944-68), dessen seriell geprägtes Werk in nur sechs Jahren entstanden ist. Gezeigt werden Arbeiten aus dem MMK, das eine umfangreiche Roehr-Sammlung besitzt, und Werke aus der Sammlung des Städel Museums, das im Rahmen der Ausstellung erstmals die zehn "Schwarzen Tafeln" aus seinem Bestand der Öffentlichkeit präsentiert. Darüber hinaus versammelt die Ausstellung maßgebliche Arbeiten aus privaten Sammlungen, die noch immer in Frankfurt verortet sind oder dort ihren Ursprung nahmen. Die anhand dieser exzellenten öffentlichen und privaten Sammlungen zusammengetragene Werkauswahl ermöglicht erstmals einen umfassenden Einblick in das Schaffen des jung verstorbenen Künstlers.
Als der 1944 in Lauenburg geborene Künstler Peter Roehr 1968 in Frankfurt im Alter von nur 23 Jahren an einer Krebserkrankung starb, hinterließ er ein Oeuvre von großer Geschlossenheit und erkennbarer Rigidität, auf das sich viele Künstler der 1960er- und 1970er Jahre bezogen. Seine rund 600 Arbeiten verfolgen ausnahmslos die Idee der seriellen Wiederholung: aus gefundenem Alltagsmaterial montierte Roehr (mehr oder weniger) quadratische Collagen oder Assemblagen. So enstand ein erstaunlich kohärentes Konvolut aus Foto-, Text-,
Typo-, Objekt-, Ton- und Film-Montagen, die das Konzept der Redundanz ausloten, ohne Gefahr zu laufen, selbst redundant zu werden. Roehr fügt Worte, Holzscheibchen, Briefmarken, Knöpfe, Fotos, Materialien aus der Werbung, aus Magazinen und Prospekten kommentarlos zum Bild. Nichts wird manipuliert, hinzugefügt oder weggenommen. Nirgends tritt der Autor in den Vordergrund. Angesichts der Bilderflut der Moderne bedient sich Peter Roehr eines Konzepts, das nur noch auswählt und benennt. Peter Roehrs Kunst fand erst nach seinem Tod eine breitere Öffentlichkeit. Die radikale Reduktion seiner Bildmittel und seine kompromisslose Methode der kalkulierten Serialität waren damals und sind auch heute, über vier Jahrzehnte später, provokant und atemberaubend. Parallel zu Andy Warhols Brillo Boxes oder CampbellÂ’s Soup Cans schuf Roehr ein Werk, das den industriellen Materialfundus der Pop Art, die ästhetische Stringenz der Minimal-Bewegung und die gedankliche Radikalität der Konzeptkunst zusammenführt.
Dass der strenge Formalismus Roehrs aber viel reichhaltiger und erzählfreudiger ist, als er auf den ersten Blick erscheinen mag, zeigt die Ausstellung "Peter Roehr - Werke aus Frankfurter Sammlungen", die als Kooperation zwischen dem MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main und dem Städel Museum zeitgleich präsentiert wird. Während das MMK den Schwerpunkt auf die Foto und Film-Montagen legt, ersammeln sich im Städel Museum die minimalistischen und formalistischen Arbeiten Peter Roehrs mit ihrer klaren reduzierten Formensprache.
Ausstellungsteil im Städel Museum
Angefangen von frühen Arbeiten wie FR-11 und FR-12, die im Ansatz noch dem Informell verpflichtet sind, kann man in der Präsentation im Städel Museum fast chronologisch die rasante künstlerische Entwicklung im Werk Peter Roehrs nachverfolgen. Zentral sind hier die Typographischen Arbeiten, die einen Hauptbestandteil im Schaffen Roehrs darstellen. Mit einer der ersten Arbeiten (TY-1) aus dieser Gruppe und den zwei ersten Objekt-Montagen (OB-1) und (OB-2), die Peter Roehr ausschließlich aus industriell gefertigten Materialien zusammenfügte, zeigt die Ausstellung im Städel nicht nur die Nähe zu den zeitgleich auftretenden Kunstströmungen wie der Arte Povera oder Zero Bewegung, sondern dokumentiert anhand dieser frühen Arbeiten ebenso den Übergang vom informellen Gestus zu einer seriellen Objekthaftigkeit, die 1966 in den "Schwarzen Tafeln" ihren Höhepunkt findet. Diese zehn großformatigen Arbeiten von je 119 x 119 cm, die wiederum jeweils aus je 35 mattschwarzen Täfelchen aus dem Fundus des Schaufensterdekorateurs bestehen, bilden nicht nur den Mittelpunkt der Ausstellung sondern sind gleichsam der Höhepunkt im Schaffen des jungen Künstlers. Das Opus Magnum Roehrs konnte vom Städelschen Museums-Verein im Jahr 2008 für die Sammlung des Städels erworben werden und wird nun, 40 Jahren nach der Erstpräsentation 1967 in der Frankfurter Galerie Adam Seide, zum ersten Mal wieder in Frankfurt präsentiert. Während die schwarzen Tafeln als geschlossene, fast identische und monumentale Einheit zu verstehen sind und in der Schau auch als solche in einem eigens dafür geschaffenen Raum präsentiert werden, folgt die Serie der rot-silbernen Progression aus dem Besitz des MMK dem Prinzip einer gleichmäßigen, letztendlich ad infinitum sich ausdehnenden Progression.
Ausstellungsteil im MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main
Ein Schwerpunkt liegt auf der großen und beeindruckenden Gruppe der aus Werbematerial montierten Bilder. Trotz Peter Roehrs eigener Skepsis gegenüber den Foto-Montagen, deren Wirkung ihm zu "literarisch" war, stellt gerade diese Werkgruppe eine der eindrucksvollsten und in ihrem komplexen Bilderreichtum schönsten des gesamten Werks dar. Neben einem ganz in Gold und Weiß gehaltenen Raum mit Arbeiten aus unterschiedlichen Werkphasen, bildet die Präsentation der 22 Film-Montagen von 1965 einen Höhepunkt der Ausstellung im MMK. Der 16mm-Film war ein weiteres Medium, anhand dessen Peter Roehr die Wirksamkeit seines Montageprinzips erprobt hat. Das schwarzweiße Ausgangsmaterial für seine Montagen bestand aus Spielfilmen und ausgedienten Fernsehwerbespots. Die ausgewählten Sequenzen zeigen Roehrs Interesse an Bewegungsabläufen: Zu sehen sind schwingende Frauenköpfe, Haare, die wild getrocknet oder in Fasson gekämmt werden, Autos, die sich ihren Weg durch den Verkehrsstrom, durch Tunnel und über Brücken bahnen, oder Wolkenkratzer, die den Blick aus den Häuserschluchten hinauf in Richtung Himmel lenken. Diese montierten szenischen Wiederholungen wurden kürzlich vollständig überarbeitet und in digitaler Form ediert, so dass sie nun in einer bisher nie gesehenen Qualität permanent gezeigt werden können. Die zwischen 19 Sekunden und zweieinhalb Minuten dauernden Film-Montagen mit und ohne Ton können von ihrer kunsthistorischen Bedeutung und ästhetischen Qualität her kaum überschätzt werden. Sie fügen sich in das Gesamtwerk und nehmen dennoch eine formale Sonderstellung ein, die einmal mehr die außergewöhnliche Leistung des seinerzeit 21-jährigen Künstlers belegt.