05.03.2011 - 31.07.2011
Der künstlerische Weg "von der Seite zum Raum" ist mit den rund einhundert dreidimensionalen Kunstwerken der Ausstellung auf überraschend vielfältige Weise nachvollziehbar. Zugleich repräsentiert die Auswahl einflussreiche internationale Kunstströmungen seit Mitte des letzten Jahrhunderts: Pop-Art, Nouveau Réalisme, Visuelle Poesie, Konzeptkunst und Fluxus.
Die traditionelle Gattung Skulptur erfährt im Medium der Künstlerpublikationen eine Erweiterung hinsichtlich Material und Verbreitung. Hergestellt aus Papier oder Karton, drucktechnisch vervielfältigt und günstig erhältlich entfalten sich, im wahrsten Sinne des Wortes, Originale in Auflage.
Anknüpfend an historische Vorläufer wie Bastelbögen oder Pop-up-Bücher für Kinder entstehen eigenständige bildkünstlerische Werke, die oft erst durch den fingerfertigen Betrachter umzusetzen oder zu montieren sind. Die Bandbreite reicht vom einfachen Aufklappen und Aufstellen - etwa einer Pyramide von Roy Lichtenstein - bis hin zu abendfüllenden Aktivitäten mit Schere und Klebstoff, um komplexe räumliche Körper oder architektonische Modelle zu realisieren.
Einige Arbeiten sind Objekte aus dem Alltagsbereich, wie eine von Barbara Kruger gestaltete Einkaufstüte oder ein Fächer von Gilbert & George. Zum anderen sind es eigenständig oder innerhalb von Büchern oder Zeitschriften publizierte Skulpturen, die häufig als Pop-Up funktionieren, sei es als einzelne Form einer Tomatenmarkdose in Andy Warhols Index Book von 1967 oder in raffinierter, detaillierter Pop-Up-Konstruktion bei Andreas Gursky 2008.
Künstlerbücher haben Eingang in die Ausstellung gefunden, wenn sie besondere skulpturale Aspekte oder Raumkonzepte aufweisen. Hans-Peter Feldmanns Multiple "Buch" vermittelt mit seinen leeren Seiten keinen Inhalt im herkömmlichen Sinne, sondern stellt das Objekt an sich in den Vordergrund. stanley brouwns "1m 1 step" ist ein überlanges Format von 100 x 10 cm, das neben der genormten Länge des Meters den raumgreifenden, individuellen menschlichen Schritt als Maß birgt.
Mit einfachen, vom Kindesalter her bekannten Faltobjekten, wie Papierflieger, Boot und Hut, oder auch zurückgreifend auf ausgefeiltere Formen des Origami, verwenden Künstler simple und klassische Techniken. Die Skulpturen und Objekte, die sie auf diesem Wege schaffen, sind in ihrer Schlichtheit beeindruckend. Gleichzeitig stehen sie überzeugend für die jeweilige künstlerische Vorgehensweise. So prägten gefaltete Papierflieger in unterschiedlichen Größen, Zusammenhängen und Aktionen das Werk von Eduard Bal.
Geradezu exemplarisch spielt George Maciunas in "Flux Paper Events" 1976 die möglichen Handlungsweisen mit Papier durch: falten, reißen, knüllen, schneiden, kleben, lochen, tackern. Auf wunderbare, visuell reizvolle Weise führt Janine Antoni mehr als 25 Jahre später Faltanleitungen mit eingezeichneten Berg- und Talfalten ad absurdum: Ihre Vorlage für "Crumple" ist überzogen mit einem dichten, unregelmäßigen Netz nummerierter Faltvorgaben. Folgt man diesen so gut es geht, entsteht das, was die Künstlerin wohl als Ausgangspunkt nutzte: ein durch Zerknüllen strukturiertes Blatt Papier.