Die zweite Ausstellung der Reihe „Junge Sammlungen“ zeigt Werke aus der Frankfurter Privatsammlung von Kelterborn. Schwerpunkt dieser außergewöhnlichen Sammlung sind gesellschaftsbezogene, philosophisch hintergründige und politisch brisante Werke international bekannter Künstlerinnen und Künstler. Das Sammlerpaar von Kelterborn ist davon überzeugt, dass Kunst uns in die Lage versetzt, Gegenwart in ihrer Komplexität, in ihren Widersprüchen und Grausamkeiten, aber auch in ihrem positiven Potential begreifbar und über die Sinne und den Verstand erfahrbar zu machen. Ihr besonderes Interesse gilt Foto- und Videoarbeiten. Konzeptkunst und mit Sprache und Texten arbeitende Neonskulpturen finden sich ebenfalls in der Sammlung, die in der Weserburg zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Der Titel „Komm und sieh“ ist nicht nur eine freundliche Einladung an die Besucher der Weserburg; er bezieht sich ursprünglich auf den sowjetischen Antikriegsfilm des Regisseurs Elem Klimow aus dem Jahre 1985. Der Film, der bereits in Jugendjahren einen nachhaltigen Eindruck beim Sammler Mario von Kelterborn hinterlassen hat, zeigt eine traumatisierte Gesellschaft im Angesicht der Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Die Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung reagieren auf ähnlich überzeugende, bisweilen verstörende Weise auf die gesellschaftlichen Konflikte unserer Zeit.
Das Künstlerkollektiv Claire Fontaine leistet mit der Neonarbeit „Sell your debt“ (Verkaufe deine Schulden) einen hintersinnigen Kommentar zur Finanzwelt, die sich nur noch wenigen Experten erschließt, gleichzeitig aber Auswirkungen auf uns alle hat. Taryn Simon hat die internationale Politik im Fokus. In ihrer großformatigen Fotoarbeit „Avatar“ präsentiert sie einen Mann, der unter Zuhilfenahme von Fotos unterschiedlichster Politiker wie John McCain oder Fidel Castro digital erschaffen wurde. Fragen nach Macht, Willkür und Opportunismus drängen sich unvermittelt auf. Der Homo-Politicus wird zu einer nicht fassbaren, fragwürdigen Gestalt.
Der Ire Richard Mosse gibt mit seiner mehrteiligen Videoinstallation „The Enclave“ beklemmende Einblicke in den östlichen Kongo. Rebellengruppen und Warlords bestimmen in dem Land den Alltag der Menschen. Mosse nutzt einen speziellen Infrarotfilm, der ursprünglich für das Militär entwickelt wurde, um Tarnungen aufzudecken. Die Grüntöne der Landschaft werden in ein psychedelisches Rot verwandelt. Die Arbeit, die bereits auf der Biennale in Venedig zu sehen war, ermöglicht einen erschreckend faszinierenden Blick auf einen brutalen, von der Weltöffentlichkeit wenig beachteten Konflikt.
Kunst, wie sie in der Sammlung von Kelterborn zusammenfindet, bietet keine wohlfeilen Lösungen. Ihr gelingt es aber mit ästhetischen Mitteln die komplexen Widersprüche, zugleich auch die potentiellen Freiräume und Chancen menschlichen Zusammenlebens sichtbar zu machen.