Eine Ausstellung zum 50-jährigen Jubiläum der Kunsthalle Düsseldorf am Grabbeplatz
Der Fokus dieser Ausstellung liegt auf Künstler*innen, die in den 1970er Jahren in Düsseldorf lebten und gemeinsam arbeiteten: Michael Deistler, Bruno Demattio, Achim Duchow, Astrid Heibach, Candida Höfer, Christof Kohlhöfer, Ingrid Kohlhöfer, Lutz Mommartz, Tony Morgan, Angelika Oehms, Sigmar Polke, Ulrike Rosenbach, Stefan Runge, Conrad Schnitzler, Emil Schult, Memphis Schulze, Katharina Sieverding, Klaus vom Bruch, Ilona & Wolfgang Weber. Wir werfen mit diesen Protagonist*innen einen frischen Blick auf die Ausdifferenzierung der Künste der Nachkriegszeit sowie subkulturelle Impulse im deutschsprachigen sowie europäischen Raum; die meisten der in Singular / Plural vertretenen Werke wurden noch nie in einer Ausstellung gezeigt. Es ist dabei zentral, dass diese lose wie kosmopolitisch orientierte Gruppe ihre Interessen und Strategien in Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung vom Nachleben des deutschen Faschismus entwickelte. Von Interesse waren Malerei nach der Malerei, Musik, Fotografie, Diaprojektionen, Film und Intermedia, Performances, Alltag, die Riten des Rheinlandes, Comics, Popkultur, Rockabilly, Hippie- und Rockertum, Punk und New Wave: In dieser von uns als Post-Pop-Polit-Arena definierten Konstellation ging es um politische Haltungen und die Neuanordnung der Mythen des Populären, um das Aneignen, Wiederholen, Sampeln, Umdeuten, Kopieren und Fälschen von visuellem Material jenseits des Mainstreams. Neben dem Versuch, innerhalb den engen Grenzen des Westens – und vor der Globalisierung des Kunstsystems – der Ordnung des Kalten Kriegs zu entkommen, formulierten die ausgestellten Künstler*innen wichtige Fragen zur Funktion von Bildlichkeit in der sich formierenden Spaß- und Informationsgesellschaft.
Die Gruppen- und Themenausstellung Singular / Plural wird durch Fragenkomplexe wie Zusammenarbeit, Kolonialgeschichten, Musik, Comics, Ökonomien oder Gender strukturiert; sie präsentiert die entsprechenden Werke – sowie dokumentarisches Material, Drucksachen oder Schallplatten – nicht chronologisch, sondern so labyrinthisch, wie die prozessualen Kollaborationen und Debatten der Künstler*innen abliefen. Die entsprechenden Kunstwerke stellen politisches Sendungsbewusstsein und Selbstironie zur Schau; sie bilden Resonanzen mit gegenwärtigen Interessen.
Christof Kohlhöfer und Emil Schult fertigten psychedelische Comicstrips, Bruno Demattio oder Stephan Runge erkundeten individuelle Mythologien und Gegenkulturen.
Memphis Schulze, Achim Duchow und Sigmar Polke nahmen durch den Einsatz von Spraydosen das Interesse der Street Art an diesen Verfahren vorweg. Lutz Mommartz oder Astrid Heibach setzten sich zu einem für den deutschsprachigen Raum frühen Zeitpunkt mit den ehemaligen deutschen Kolonien auseinander und Michael Deistler reiste auf den Spuren des nationalsozialistischen Afrikafeldzugs nach Ägypten, während Candida Höfer einen ethnographischen Blick auf die eigene Gesellschaft wirft und Ingrid Kohlhöfer klischeehafte Vorstellungen von Freaks befragt.
Tony Morgan, Ulrike Rosenbach oder Katharina Sieverding untersuchen genderkritische Positionen und die Rockposen der Popkultur und Conrad Schnitzler transformiert das Erbe der Pop Art durch neue Formen der elektronischen Musik. Viele der multimedialen Arbeiten konnten für die Ausstellung rekonstruiert werden und sind erstmals wieder zugänglich. So fertigte etwa Achim Duchow vertonte Diaprojektionen, die sich mit der Situation rund um die RAF, der Boulevardpresse oder dem Kunstmarkt in diesem „roten Jahrzehnt“ auseinandersetzen. Es ist dabei für das kuratorische Konzept zentral, dass innerhalb dieser Gruppe alternative Lebensmodelle erprobt und gleichzeitig eine singuläre Autorschaft aufgelöst wurde. Etwa Klaus vom Bruch oder Ilona und Wolfgang Weber porträtieren in Diashows oder Fotosammlungen die Düsseldorfer Gruppe, andere tauschten ihr Material untereinander oder erstellen, wie Sigmar Polke und Memphis Schulze oder Achim Duchow und Angelika Oehms, gemeinschaftliche Werke. Wie es der Philosoph Jean-Luc Nancy formuliert: „Mit-Sein“, eben „singulär Plural sein“ setzt immer voraus, mit anderen im Austausch zu stehen, wobei die Frage entsteht, wie innerhalb konkreter Kunstprojekte Gruppen ausgebildet werden können, die zwar als Pluralität funktionieren, in denen jedoch das „wir“ nicht zur Totalität gerät.
Innerhalb der Düsseldorfer Szene wurden die Prozesse des Austausches, Wandels und der Diskussion innerhalb von öffentlichen Foren aufrechterhalten; die Kunsthalle fungierte als zentrale Bühne für diese Aktivitäten. Die in Singular / Plural vertretenen Künstler*innen bestimmten das historische Programm dieser Institution aktiv mit, etwa durch die alternativen Reihen between oder Prospekt, während die Großausstellungen meist der Vorkriegsgeneration vorbehalten waren. Deshalb bestimmen Referenzen auf drei historische Ausstellungen, Yes Sir, That’s My Baby im Rahmen der between-Reihe 1973, die Sigmar Polke-Retrospektive Bilder, Tücher, Objekte 1976 – eigentlich eine Gruppenausstellung in Form einer Totalinstallation – sowie Nachbarschaft, ebenfalls 1976, die Präsentation dieser Jubiläumsausstellung.
Die Künstler*innen: Michael Deistler, Bruno Demattio, Achim Duchow, Astrid Heibach, Candida Höfer, Christof Kohlhöfer, Ingrid Kohlhöfer, Lutz Mommartz, Tony Morgan, Angelika Oehms, Sigmar Polke, Ulrike Rosenbach, Stefan Runge, Conrad Schnitzler, Emil Schult, Memphis Schulze, Katharina Sieverding, Klaus vom Bruch, Ilona & Wolfgang Weber.