Andreas Mühe und Markus Lüpertz - der eine Fotograf, der andere Maler, der eine Ende der 1970er Jahre in Ostdeutschland geboren, der andere in den 1940er Jahren in Westdeutschland aufgewachsen - auf den ersten Blick könnten die Positionen unterschiedlicher nicht sein. Daher ist es umso erstaunlicher, dass diese beiden Künstler entschieden haben, unter dem Titel Ancien Régime 2016 gemeinsam in der Kunsthalle Rostock auszustellen.
Andreas Mühe, aufgewachsen in der Welt des Theaters, der Inszenierung und der Verwandlung, überträgt seine ästhetischen Erfahrungen dieses Genres in die Fotografie. Mit dem präzisen Einsatz von Licht, dem Herausarbeiten einer speziellen Farbigkeit und seinem Gespür für den Bildaufbau, der sich mehr mit dem Spiel des Pathos beschäftigt, als mit der Übertragung einer realen Szene, schafft er verführerisch-schöne Bilder. In seiner bereits bekannten Serie „Obersalzberg" widmet er sich der provokanten Ästhetik des Nationalsozialismus, die sich in Körperhaltung, Gestus, Kleidung, aber auch Perspektive und Lichtsetzung ausdrückt. Mühe verwendet malerische Mittel in seiner Fotografie und schafft somit den Bruch zur Realität und den Ausblick ins Imaginäre. Neben der bereits bekannten Obersalzberg-Serie wird Mühe neue Arbeiten präsentieren, die in ihrer Bildsprache das Sujet des Menschen in der Natur aufgreifen. Doch auch hier spielt er mit der deutschen Bildtradition der Romantik und unseren Sehgewohnheiten: er inszeniert den Menschen nicht verloren und kontemplativ in seiner Naturerfahrung, sondern sich seiner Position in der Welt bewusst.
Mit 96 Zeichnungen stellt Markus Lüpertz zum ersten Mal die umfassende Werkserie zum Apoll des Bildhauers Ludwig Münstermann aus; 13 der Arbeiten waren dieses Jahr bereits im Bode Museum Berlin zu sehen. Inspiriert von der im 17 Jh. entstandenen Holzfigur des Apoll aus dem Bode Museum, die ursprünglich Bestandteil eines Orgelprospektes war, schuf Lüpertz seine Blätter direkt vor der Figur. Das zeichnerische Abtasten dieser hageren Männergestalt, die weniger einem klassischen Götterbild ähnelt, als im Halb-Akt, nahezu tänzelnd, stark menschliche Züge trägt, wird zur unnachgiebigen Untersuchung dieser neu-interpretierten antiken Göttergestalt. Lüpertz tritt in einen intensiven Dialog mit der gesamten Kunstgeschichte. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und die Reflexion über Zeit verleihen dem Künstler eine Sonderrolle innerhalb der Gesellschaft: „Der Künstler stoppt die Zeit", so Lüpertz.
Entkoppelt vom Diktat der Zeit, erlangen beide Künstler eine Autonomie, die sie zwischen den Zeiten wandern lässt. In der Ausstellung Ancien Régime 2016 lassen Mühe und Lüpertz die Erwartungen der Betrachter mit ihrem Spiel historischer Bildtraditionen und tradierten Sehgewohnheiten kollidieren.