Am 31. Januar 2016 jährt sich der Todestag Friedrich Rückerts zum 150. Mal. Die Stadt Schweinfurt hat angesichts dieses anstehenden Gedenkens beschlossen, besagtes Jahr zum „Rückert-Jahr“ auszurufen, um dem hier geborenen Dichter und Orientalisten ihre besondere Reverenz zu erweisen, zumal man inzwischen mit dem Pfund wuchern kann, daß sich unter den überaus zahlreichen deutschen Dichtern und Denkern nicht so schnell einer findet, der mit seinem Werk so glaubwürdig für den heutzutage mehr als notwendigen interkulturellen Dialog steht wie Friedrich Rückert.
Den Kern dieses Gedenkjahres wird die professionell gestaltete Literaturausstellung „Der Weltpoet: Friedrich Rückert (1788-1866) – Dichter, Orientalist, Zeitkritiker“ in der Kunsthalle Schweinfurt bilden. Sie ist die für den Zeitraum vom 8. April bis 10. Juli 2016 angesetzt. Anschließend wird die Ausstellung – in inhaltlich und räumlich angepasster Form – noch in den beiden anderen bayerischen Rückert-Städten Erlangen (24. Juli bis 13. November 2016) und Coburg (14. Januar bis 17. April 2017) gezeigt werden, so daß letztlich alle drei fränkischen Regierungsbezirke berücksichtigt sind.
Die Ausstellung lässt in sechs Kapiteln Leben und Werk des zu Schweinfurt geborenen Dichters und Orientalisten Revue passieren, der mit den 1814 erschienenen „Geharnischten Sonetten“ schnell zum ‚Shooting Star‘ in der Szene der Lyrik der Befreiungskriege avancierte.
Trotz großen Erfolgs wandte er sich jedoch schon frühzeitig den orientalischen Sprachen und Kulturen zu. Letztlich sollte Rückert aus 44 Sprachen mit 17 Schriftsystemen übersetzen, und es gibt kaum ein kulturell konstituierendes Werk der europäischen oder der orientalischen Literatur, das Rückert nicht zumindest in umfänglichen Auszügen kongenial ins Deutsche übertragen hätte; wie z. B. den arabischen „al-qur‘ān“ (القرآن), das persische Nationalepos „šāhnāmeh“ (شاهنامه), das indische Volksepos „mahābhārata“ (महाभारत) oder die älteste Gedichtsammlung der Welt überhaupt, das chinesische „shījīng“ (詩經), letzteres zwar aus dem Lateinischen, jedoch in visionärer Qualität.
Anhand von Manuskripten, Büchern, Bildern und Lebenszeugnissen wird neben seinem dichterischen Schaffen natürlich auch sein wissenschaftliches Wirken an den Universitäten Erlangen (1826-1841) und Berlin (1841-1848) dargestellt. Auch gilt es, sowohl die Bedeutung zu seiner Zeit (Kontakte und Freundschaften zu Johann Wolfgang v. Goethe, Alexander v. Humboldt, Brüder Grimm, Gustav Freytag, Felix Dahn etc.) als auch die Rezeptionsgeschichte bis auf den heutigen Tag entsprechend herauszustellen (Friedrich Engels, Friedrich Nietzsche, Nobelpreisträger Paul Heyse, Vincent van Gogh, Thomas Mann, Hermann Hesse, Hans Magnus Enzensberger, Wolfgang Koeppen, Marcel Reich-Ranicki, etc. zzgl. der Vertonungen durch Franz Schubert, Robert und Clara Schumann, Johannes Brahms, Gustav Mahler, Richard Strauss, Alban Berg, Bedřich Smetana u. v. a. m.). Natürlich dürfen in der Ausstellung auch ‚Verehrer‘ wie Donald Duck und Janosch keinesfalls fehlen.
Nach Beendigung seiner Berliner Lehrtätigkeit im Jahre 1848 zog sich Rückert auf sein Landgut in Neuses bei Coburg zurück, wo er in seinem bis heute noch großteils unveröffentlichten Alterswerk, dem „Liedertagebuch“, bereits in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts viele der ökologischen und gesellschaftlichen Folgen der aufkommenden Industrialisierung scharfsinnig vorhergesagt.
Angesichts des sich als immer dringlicher erweisenden interkulturellen Dialogs und der anstehenden gesellschaftlichen wie ökologischen Herausforderungen möchte die von Schweinfurt konzipierte Ausstellung am Beispiel von Friedrich Rückerts Leben und Werk ein reiches Tableau darbieten, das das breite Spektrum von literarischer Selbstfindung zu Zeiten der Befreiungskriege, über biedermeierlichen Widerstand kraft kultureller Weltoffenheit, bis hin zur Frage des Alterns in Würde umfaßt.