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Kunsthalle St. Annen


St. Annen-Str. 15
23552 Lübeck
Tel.: 0451 122 41 37
Homepage

Öffnungszeiten:

20.01.-31.03.:
Di-So 11.00-17.00 Uhr
Apr-Dez:
Di-So 10.00-17.00 Uhr
Im Mai 2003 wurde die Kunsthalle St. Annen von der Possehl-Stiftung der Hansestadt Lübeck geschenkt. Die Kunsthalle ist als Erweiterungsbau des St. Annen-Museums mit dem Ziel errichtet worden, hier sowohl die Sammlungsbestände zur Kunst nach 1945 als auch Wechselausstellungen zu präsentieren. Der prismatische, steil aufragende und zwanzig Meter hohe Baukörper greift in seinen Ausmaßen bewusst die Dimensionen der ehemaligen St. Annen-Kirche auf, die hier als Klosterkirche des St. Annen-Klosters - heute: St. Annen-Museum - bis zum Brand im Jahre 1843 stand.
In der Mitte der gotischen Restfassade der Kirche mit ihren beiden mit Skulpturen des Bildhauers Lothar Fischer bestückten Nischen befindet sich mit dem ehemaligen Kirchenhauptportal der Zugang zur Kunsthalle und zum St. Annen-Museum. Mittig leitet ein hart in die Glasfront geschnittener Eingangsquader in das Innere der Kunsthalle, über die man auch das St. Annen-Museum erreicht.
Über den beiden Seitenschiffen und dem Eingangsfoyer erhebt sich das flache Stahlbetondach, das nur in den beiden Seitenschiffen von jeweils fünf, den Rhythmus der Joche aufnehmenden Oberlichtern unterbrochen wird und an dieser Stelle die Erinnerung an die alten Kirchenschiffe wachrufen. Von diesem Standort aus sind auch die architektonischen Fragmente der alten Klosterkirche, wie Bögen, Pfeilerstümpfe, die Begrenzungsmauer zum Kloster bzw. zum St. Annen-Museum oder links die gewölbten Nischen und Außenwände zum Synagogengrundstück zu erkennen. Erst im Innern des Gebäudes wird man sich der eigentlichen Dimensionen der ehemaligen Klosterkirche, aber auch der des Neubaus gänzlich bewusst.
Der bis zum Dachgeschoss sich fortsetzende und das Mittelschiff unterbrechende Treppen- und Aufzugsturm markiert eine Stelle, an dem einstmals das fünfjochige Kirchenschiff durch einen Schildgiebel vom Chor getrennt war. Die das Kirchenmittelschiff und die Seitenschiffe trennenden Rundbögen stehen optisch frei im Raum und werden als Ruinenreste wahrnehmbar. Nur je zwei relativ kurze Rundpfeiler, die die Geschoßdecke tragen, stellen die einzige materielle Verbindung von alt und neu dar.
Fragmente werden angetastet oder verändert. Das Neue setzt sich optisch und materiell bewusst-selbstbewusst vom Vorgefundenen ab. Die historischen Brüche werden direkt und ohne historisierende Anbiederung sofort erkennbar. Die sich hieraus ergebende, besondere Spannung ist eine der ganz großen Qualitäten dieses Bauwerks. Gleiches gilt für die Materialität, wie der qualitätsvolle Beton, der dem Besucher in vielen Teilen begegnen wird, oder dem grauen Magnesitestrich in allen Räumen, der eine, besonders im Zusammenhang mit zeitgenössischer Kunst, falsche Gemütlichkeit zu vermeiden hilft.
Der Besucher nimmt sofort wahr, dass diese Kunsthalle ein besonderer Bau, ja ein vollkommen individuelles und einzigartiges Ausstellungsgebäude ist. Das selbstbewusste Zusammenspiel von moderner Formensprache und die gleichzeitige rücksichtsvolle Respektierung der historischen Fragmente sind dabei ein ganz wesentlicher Faktor. Das Alte wird freigestellt und bleibt sicht- und körperlich spürbar.
Die Spannung, oder besser, die räumliche Unterschiedlichkeit ist die eigentliche Qualität, der man beim Durchschreiten dieses Baus auf Tritt und Schritt begegnet. Sei es die der unterschiedlichen Materialien und Farben, sei es die zwischen Altem und Neuem oder die der räumlichen Abfolgen. Bedeutsam aber ist auch der stete Wechsel von großen und kleinen, schmalen und breiten, hohen und niedrigen Räumen, der Monotonie verhindert und den Gang durch die Kunsthalle zu einem stimmungsvollen und abwechslungsreichen Erlebnis werden läßt. Man könnte dieses Phänomen von Verengung und Weitung der Raumabschnitte als ein pneumatisches Prinzip bezeichnen.
Hierzu gesellt sich die kontinuierliche Veränderung der Lichtqualitäten, die zwischen Tageslicht, Kunstlicht und Mischlicht changieren. Das eigentliche Thema dieser Architektur ist letztlich das des lebendigen, nie ermüdenden und anregenden Raums. Die Wirkung der darin präsentierten Kunstwerke erfährt dadurch ihre Potenzierung.
Ein ganz besonderes Erlebnis bietet schließlich der direkte Jahrhundert(e)-Schritt durch ein gotisches Portal von der Kunsthalle in das St. Annen-Museum, bei dem der Besucher sich plötzlich in einem spätgotischen Kreuzgang von 1512 befindet.

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