Georges Adéagbo erhält in diesem Jahr den mit 20.000 Euro dotierten Finkenwerder Kunstpreis 2017.
Der vom Kulturkreis Finkenwerder ausgelobte und von der Firma Airbus Operations finanzierte Preis wird seit 1999 an Künstler vergeben, die mit ihrem Schaffen einen herausragenden künstlerischen Beitrag zur zeitgenössischen Kunst in Deutschland geleistet ha- ben.
Zu den PreisträgerInnen der letzten Jahre zählen die KünstlerInnen Almut Heise, George Rickey, Candida Höfer, Neo Rauch, Daniel Richter, Thorsten Brinkmann, Ulla von Brandenburg und Christian Jankowski. Mit dem in Cotonou (Benin) und Hamburg lebenden Georges Adéagbo (*1942) ehrt die vom Kuratorium des Kunstpreises berufene fünfköpfige Fachjury einen Künstler, der auf besondere Weise die Differenzen unterschiedlicher Kulturen zu überwinden vermag und dem es mit seiner Kunst gelingt, die Komplexität kultureller Identität anschaulich werden zu lassen.
Die raumgreifenden Assemblagen von Georges Adéagbo, die er meist ortsspezifisch installiert, lassen sich als assoziative kulturgeschichtliche Puzzle beschreiben. Die einzelnen Fragmente seiner oft groß angelegten Materialcollagen setzten sich aus Schriftstücken, Fotos, Büchern, Gemälden und Objekten zusammen, die Adéagbo u. a. auf Reisen, Flohmärkten, im Alltag und in Antiquariaten sammelt, thematisch sortiert und zu diskursiven, aber auch subjektiven Erzählungen zusammensetzt. Mit seinen Installationen portraitiert er sehr unterschiedliche Persönlichkeiten wie z. B. Edith Piaf oder Abraham Lincoln und namhafte europäische Philosophen oder er nimmt abstrakte Konzepte wie Fremdheit, Globalisierung und Kolonialismus zum Ausgang seiner Arbeit.
Die Kultur seiner westafrikanischen Heimat Benin, deren Geschichte und Rezeption, verknüpft er in diesen Arrangements gleichermaßen mit der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte, als auch mit der Reflexion seiner eigenen künstlerischen Praxis. In seinen Arbeiten begegnen sich akademische Diskurse, Alltagskultur ebenso wie Mainstream und Minderheiten stets auf Augenhöhe.
Durch die Art und Weise, wie der Künstler seine unterschiedlichen Referenzen und Artefakte arrangiert und mit eigenen Texten kommentiert, entstehen Erzählungen, die einer einseitigen Leseweise der Geschichte entgegen treten.
Während der letzten 25 Jahre hat er damit nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem postkolonialen Erben Europas geleistet, sondern auch die Betrachtungsweise „afrikanischer“ Kunst im westlichen Kunstkontext herausgefordert. Indem er die Rolle des kolonialen „Entdeckers“ umkehrt, dekonstruiert Adéagbo die gegenseitigen Klischees und Projektionen auf das jeweils „Andere“. Georges Adéagbo hat keinen klassischen künstlerische Werdegang absolviert und wurde von der internationalen Kunstwelt erst spät für sich entdeckt. Ohne sich als Künstler zu betrachten entwickelte er in Cotonou ganz unabhängig seine tägliche Praxis des Denkens mit gefundenen Objekten, Bildern und Texten.
Seit Mitte der 1990er Jahre war er regelmäßig in namhaften Ausstellungen vertreten und erhielt 1999 als erster afrikanischer Künstler für seine Teilnahme bei der 48. Biennale von Venedig eine Auszeichnung. 2002 war er mit einer In-Situ-Installation auf der Documenta 11 vertreten und hatte u. a. Einzelausstellungen im Museum Ludwig, Köln (2004), MAK, Wien (2009), MUSAC Leon (2011) und im Moderna Museet, Stockholm (2014). Er gehört damit zu den bekanntesten Künstlern Westafrikas mit internationaler Reputation.
In Hamburg hat er zuletzt 2015 in Zusammenarbeit mit dem Kulturforum Süd-Nord (Stephan Köhler) und dem Projekt „Stadtkuratorin“ die Installation „Inverted Space“ im öffentlichen Raum gezeigt. Anlässlich des Finkenwerder Kunstpreises zeigt das Kunsthaus Hamburg vom 5.9. bis zum 3.10.17 in einer Einzelausstellung einen umfangreichen Einblick in die Arbeit des Preisträgers.
Damit wird sein Werk zum ersten Mal im institutionellen Rahmen in seiner „zweiten“ Heimatstadt Hamburg präsentiert.
Zur Preisverleihung am 31. August im Airbuswerk auf Finkenwerder wird Georges Adéagbo zusätzliche eine Arbeit vor Ort vorstellen.