01.07.2007 - 25.10.2007
Das malerische Schaffen Franz Radziwills ist außerhalb seines norddeutschen Wirkungskreises noch kaum in jenem Maße bekannt, wie es ihm nach seinem künstlerischen Rang zusteht. Völlig gegenständlich orientiert, wurde Radziwills Œuvre von der großen Welle der lange, als einzig zeitrelevant und wichtig erachteten Abstraktion beiseite gedrängt. Hinzu kommt, dass es auch innerhalb der gegenständlichen Malerei der Moderne eine entschiedene Außenseiterposition einnimmt. Es handelt sich um ein Werk von extremer Eigenwilligkeit, das sich gegen die Einordnung in allgemeine Stilströmungen sperrt.
Franz Radziwill (1895-1983) verbindet in seinen Gemälden Vertrauenszusicherung und Bedrohung, gespannte Stille und beheimatende Ruhe zu einem widersprüchlichen und zugleich zwingend schlüssigen, künstlerischen Konzept. Die neue Ausstellung im Kunstmuseum Bayreuth widmet sich genau diesem Aspekt im Werk des Künstlers.
Der Ausstellungstitel „- drohend vertraute Welten“ beschreibt präzise das subtile Moment in Radziwills Werk. Die intensiv wahrnehmbare und dabei nur passiv formulierte Anspannung, die sich in vielen seiner Bilder wiederfindet, resultiert unter anderem aus der Verbindung menschlicher Kulturräume in ihrem mitunter ambivalenten Verhältnis zur natürlichen Umgebung. Daraus geht eine Schwebe hervor, die bis heute ein Höchstmaß an Faszination der Werke bedingt.
Landschaften, Stadtansichten, Marinestücke und Stillleben können sich als Motiv noch so arglos und unspektakulär geben, unterschwellig bleibt immer eine Spannung erhalten, die den Betrachter zögern, oftmals geradezu misstrauisch argwöhnend vor dem Bild innehalten lässt. Dabei wird die Stimmung nicht allein durch motivische Indizien wie das Eindringen der Technik in die Landschaft evoziert, sondern gerade auch durch die Gestaltungsprinzipien, die die Bildfläche einem verfremdenden Sog aussetzen – eine Wirkung, dass der Maler selbst staunend über seine Bilder äußerte: „Seltsam, dass das durch mich hindurchgegangen ist.“
Die akzentuierte Detailgenauigkeit wird in den Gemälden sichtbar und suggeriert Verlässlichkeit, Orte und Dinge, Landschaften und Stillleben sind mit menschlicher Wärme und Sympathie durchdrungen. Dies unterschiedet Radziwill von den Strömungen seiner Zeit, wie z. B. der Neuen Sachlichkeit oder dem Magischen Realismus. Ausblicke sowohl auf die expressiven Anfänge, als auch auf die hochgradig verschlüsselte Spätphase unterstreichen dies. Dabei geht er selbst durchaus über diesen Aspekt der „Beheimatung“ hinaus und überlagert ihn durch eine Ebene der Verfremdung und Bedrohung. So entwickelt die Bildfläche nicht selten die Wirkung eines Vakuums, in der das Seiende substantiell angegriffen und ausgezehrt wird. Landschaften und Stillleben werden zu Teilen einer Kulisse der leeren Weltbühne gemacht. Nicht selten entsteht der Eindruck einer erträumten Vision, in der die Wirklichkeit von unwirklichen Anklängen überschattet wird.
Trotz dieser Tendenzen blieb Radziwills Werk zeitlebens an die Gegenständlichkeit gebunden und wurde zwischenzeitlich auch von den starken Abstraktionsbestrebungen der jüngeren Kunstgeschichte zurückgedrängt. Die aktuelle Ausstellung widmet sich der Außerordentlichkeit dieses Malers und konzentriert sich in besonderem Maße auf seine Meisterwerke. Fokussiert wird die besonders reichhaltige Schaffensperiode zwischen 1923 und etwa 1950. Das breite Spektrum der Landschaftsbilder und Stillleben, sein einzigartiger Imaginationsreichtum und ihr außergewöhnlicher Ausdrucksgehalt unterstreichen die Bedeutung Franz Radziwills als Ausnahmekünstler und laden ein zu neuen Reflexionen. Es erscheint ein aufwändiger Ausstellungskatalog (22 €). Ein umfangreiches Vermittlungsprogramm begleitet die Ausstellung.