Wo geht es lang? Rechts, links oder geradeaus? Das wird im Herbst 2015 die bestimmende Frage in der Ausstellung This Way des dänischen Künstlers Jeppe Hein (*1974) sein. Denn trotz des richtungsweisenden Titels nimmt Jeppe Hein dem Besucher genau diese Entscheidung nicht ab. Kopf, Körper und Sinne sind in der großen Ausstellungshalle des Kunstmuseums Wolfsburg gefordert, die sich in ein Labyrinth verwandelt. In großen, kleinen, dreieckigen oder vieleckigen Räumen, auf engen oder breiten Wegen, in Sackgassen sowie auf Kreuzungen und Plätzen trifft der Besucher auf entscheidende Werke Jeppe Heins und wird von neuen und ortspezifischen Arbeiten überrascht. Laut und leise, subtil und offensiv, schnell und langsam, spirituell und materiell – mit Stimmungs- und Tempowechseln lässt Jeppe Hein unterschiedliche Energiefelder entstehen. Jeder Besucher hat die Freiheit, seinen individuellen Weg durch dieses sinnliche Erfahrungsfeld zu wählen.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg bietet erstmals in Deutschland einen breiten Überblick über die Skulpturen, Installationen, Handlungsräume und Papierarbeiten Jeppe Heins. Seine Werke bewegen sich zwischen Minimalismus, Kinetik und Konzeptkunst und sozialer Plastik. Klare geometrische Formen wie Kreis, Kugel, Quadrat, Würfel, Rechteck oder Spirale sind seit den späten neunziger Jahren sein Vokabular; Spiegel, Stahl, Chrom, Glühbirnen, Neonlicht oder Elemente wie Wasser, Eis und Feuer seine Materialien. Für Jeppe Hein steht das Objekt jedoch nicht nur für sich selbst, es geht ihm vielmehr um die Idee eines erlebbaren Kunstwerkes. Der Rezipient soll seine Arbeiten nicht nur passiv betrachten, sondern aktiv erspüren, sie sogar aktivieren.
Täglich legen wir bewusst und unbewusst zahlreiche Wege zurück – nicht nur kleinere und größere Distanzen, sondern vor allem auch innere Wege. Oftmals verfallen wir dabei in eine Art Automatismus, verlieren den Kontakt zum Hier und Jetzt und zu uns selbst. This Way hält keine Antworten bereit, sondern setzt sich zum Ziel, in unserer chronisch überforderten Gesellschaft auf der Suche nach einer Work-Life-Balance Raum für Resonanzerfahrungen zu bieten. Ganz in diesem Sinne transportieren die Arbeiten Jeppe Heins Schwingungen, sei dies im wörtlichen Sinne, indem sie Töne oder Frequenzen erzeugen, oder im übertragenen Sinne als Empathieerfahrung. Sie fördern den Dialog zwischen Werk, Betrachter und Umgebung und begegnen dem Wunsch nach sozialem Widerhall, der uns bei unseren Wegfindungsprozessen permanent begleitet.
Dabei gewährt Jeppe Hein sehr persönliche Einblicke, lässt den Besucher an seiner eigenen Wegsuche teilhaben. Seit seiner Burnout-Erkrankung im Dezember 2009 setzt er sich mit Kernfragen unserer Existenz auseinander, die sich in seinem schonungslos ehrlichen und berührenden Aquarell-Tagebuch spiegeln, das Hunderte von Blättern umfasst und die Ausstellung konzeptuell und im wörtlichen Sinne rahmt. Mit diesen Arbeiten beginnen sich neue künstlerische und spirituelle Komponenten in seinem Werk abzuzeichnen. Sein Materialspektrum erweitert sich. Klang, Resonanz, Stille, Duft oder Atem prägen neue Arbeiten und lassen die Auseinandersetzung mit fernöstlichen Philosophien und Praktiken wie dem Buddhismus, Yoga und der Meditation spürbar werden. Seine Arbeiten sensibilisieren den Besucher für den Moment und holen ihn zurück ins Hier und Jetzt.