Von der Staubfluse bis hin zum Satellitenbild des nächtlichen Londons – Ilka Helmig untersucht die Phänotypen, die Erscheinungsweisen von Bildern und Objekten. Sie spürt Wachstumsstrukturen und -Prozessen nach, seien sie geordnet oder chaotisch. Und sie sucht nach der Ästhetik des Zufalls.
Ihr künstlerisch-sezierender Blick auf die Strukturen unserer Welt kennzeichnet die Arbeiten der Aachener Künstlerin, die größtenteils eigens für die Ausstellung „Phénotype“ im Ludwig Forum Aachen entstanden sind.
Im Zentrum steht eine raumgreifende und verschlungene Skulptur aus verbundenen Holzbalken. Wie ein Gerüst, das aus den Fugen geraten ist, bewegt sich die Struktur aus Vier- und Sechskanthölzern durch den Raum. Ilka Helmig hat vorab einige Konstruktionsparameter festgelegt, etwa die Auswahl der Holzbalken. Diese schneidet sie in unterschiedlich lange Teile, deren Enden in jeweils variierende Winkel zulaufen. Dadurch lässt sich das Verbinden der Glieder nur bedingt planen und das hölzerne Gebilde mäandert durch den Ausstellungsraum, wie der Zufall es will. Zeichnerische, fotografische und mikroskopische Darstellungen ergänzen die Konstruktion, wie etwa die korrespondierende Form einer Wandzeichnung aus Klebeband. Auch sie bewegt sich in mehr oder weniger vorgegebenen Grenzen, ist darin jedoch unvorhersehbar. Weitere „Verästelungen“ wird die Künstlerin noch hinzufügen – Akkumulationen und Veränderungen machen die Ausstellung selbst zu einem Wachstumsprozess.
Auch in den anderen Arbeiten stellt Ilka Helmig die Frage nach chaotischen und geordneten Strukturen, nach Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit: Durch ein Mikroskop fotografiert sie einen Tropfen getrockneter Milch oder einen Staubpartikel. Zugleich studiert sie Stadtgrundrisse sowie ein Muster aus Äckern und Feldern in einer Luftaufnahme. In der Gegenüberstellung biologischer und kulturell bedingter Strukturen zeigt Ilka Helmig ungeahnte ästhetische Zusammenhänge und visuelle Systematiken auf. Im Vordergrund steht dabei nicht die logische Begründbarkeit dieser strukturellen Prozesse, sondern die bildnerische und vergleichende Erkenntnis.
Ilka Helmig (*1971) arbeitet an der Schnittstelle von Kunst und Design. Nach ihrem Design-Studium in Nürnberg studierte sie Bildende Kunst in Bonn. Seit 2007 lehrt sie als Professorin für visuelle Konzeption und Zeichnung an der Fachhochschule Aachen.