Als soziale Codes sind sie fast so alt wie die Menschheit selbst: Die ersten Tätowierungen wurden im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. in Chile, Nordafrika und Vorderasien appliziert. Aus derselben Zeit stammt die älteste bekannte Farbtätowierung Europas, die die 1991 entdeckte Gletschermumie Ötzi ziert. Vielfältige, über den ganzen Erdball verstreute Hinweise bekräftigen die Vermutung, dass sich die Sitte des Tätowierens als Zeichen einer Gruppenzugehörigkeit oder als rituelles Symbol in den Völkern gänzlich unabhängig voneinander entwickelt hat.
In manchen Kulturen erreichte die Kunst des unauslöschlichen Körperschmucks hohe Meisterschaft. Im 19. Jahrhundert wurde das Tätowieren schließlich auch in Europa zu einem Massenphänomen: Adelige trugen ebenso Farbpigmente unter der Haut wie die Angehörigen der untersten Bevölkerungsschichten. Doch bald wurden Tätowierte an den sozialen Rand gedrängt, als Verbrecher oder Degenerierte stigmatisiert. So erlebte die Tätowierung in den Gefängnissen eine Blütezeit bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Erst Jugendkulturen wie die Punks brachten das Tattoo seit Mitte der 1970er Jahre wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft und begründeten damit einen anhaltenden Modetrend.Schon lange sind die Körperzeichnungen kein Phänomen der Unterschicht und der Außenseiter mehr. Heute dienen Tattoos als Ausdrucksmöglichkeit für Exklusivität, Selbstdarstellung und Abgrenzung, als sexueller Reiz, Schmuck, Protestsymbol oder politische Stellungnahme.
Auch für viele Bildende Künstlerinnen und Künstler birgt die Unauslöschlichkeit der Tätowierung einen magischen Reiz. Die Haut des menschlichen oder tierischen Körpers wird zur Schreib- und Malfläche. Unter dem Titel Ge-stochen scharf zeigt diese Ausstellung einerseits anhand historischen Materials einen ethnologischen Rückblick in die Geschichte des Tattoos. Andererseits präsentiert sie künstlerische Auseinandersetzung und Interpretation zum Thema bis in die Gegenwart.