08.11.2009 - 10.01.2010
„Vun all de Havens, de ick kenn, much ick upleefs Flensborg.“
Diese Liebeserklärung an die Heimatstadt hat durchaus Gewicht, denn sie stammt von einem, der es wissen muss. In seinem bewegten Leben konnte der Flensburger Kapitän und Cap Hoornier Bruno Pichner nicht nur so manchen sicheren Hafen kennenlernen. Stürme – sowohl auf See als auch in der Politik – haben ihn bereits in jungen Jahren in die weite Welt verschlagen. Heute verarbeitet Pichner seine Erlebnisse mit Pinsel und Stift und bewahrt auf diese Weise ein Stück Seefahrtsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Pichner stammt aus einer alten Flensburger Familie, in der Seefahrt schon immer eine Rolle gespielt hat. Den 1921 in Flensburg geborenen Junge zieht es schon früh zur See. 1937 ist es endlich soweit: der 15-Jährige beginnt seine seemännische Ausbildung auf Dreimastschonern.1939 mustert Pichner als Leichtmatrose auf der Viermastbark PRIWALL der Reederei F. Laeisz an. Die erste Reise führt von Hamburg nach Süd-Chile. Allein für die Umrundung von Kap Hoorn benötigt das Segelschulschiff 18 Tage. Mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges sitzt die PRIWALL in Valparaiso fest. Zwei lange Jahre muss sich die Besatzung mit Gelegenheitsarbeiten in Chile durchschlagen, bis sich 1941 die Gelegenheit ergibt, den Dampfer ERLANGEN nach Deutschland zu überführen. Pichner wird als Heizer und Kohlenzieher angeheuert. Doch bereits nach zwei Tagen wird der Frachtdampfer von dem englischen Kreuzer NEWCASTLE gestellt. Pichner verschlägt die Kriegsgefangenschaft nach England und Kanada. Spätestens jetzt zeigt sich Pichners überragendes Talent zum Überlebenskünstler, denn er weiß seine Zeit zu nutzen. Ob er nun gemeinsam mit seinen Schicksalsgefährten weiter an seiner nautischen Ausbildung arbeitet, oder ob er sich bis 1946 als Bäcker, Kutscher, Holzfäller oder gar Flößer durchschlägt – offen und wissbegierig nutzt er jede Möglichkeit zum Weiterlernen.
Doch seine eigentliche Berufung ist die Seefahrt. Ob als Kapitän auf Großer Fahrt, ob als Lotse auf dem Nord-Ostseekanal in Brunsbüttel, die Arbeit an Bord lässt kaum einen Freiraum. Erst mit dem Ruhestand 1980 kann Pichner in die geliebte Heimatstadt Flensburg zurückkehren und findet Muße für eine weitere große Leidenschaft seine Leben: Die Malerei.
Die war keine Liebe auf den ersten Blick. Zwar hat Pichner schon früh gern und treffsicher mit spitzem Bleistift kleine Zeichnungen zu Papier gebracht, doch erst die kluge Anregung von Ehefrau Karin, mit dem Hobby aus Kindertagen die Fülle des Erlebten zu verarbeiten, beschert uns eine überbordende Fülle an wertvollen Informationen aus dem seemännischen Alltag des 20 Jahrhunderts. Eng angelehnt an die die eigene Biographie illustrieren die Werke Pichners die wichtigsten Stationen des eigenen Lebens. Genauso flexibel und offen, wie in seinem täglichen Leben, schöpft Bruno Pichner aus der Fülle seiner Lebenserinnerungen, probiert verschiedene Techniken aus und kommt doch bei den Zeichnungen zu seinen stärksten Ergebnissen.
Die Ausstellung im Flensburger Schiffahrtsmuseum bietet entlang von Pichners bewegtem Lebenslauf nun erstmals einen Überblick über dieses bemerkenswerte Werk eines weitgereisten Autodidakten. Ausschnitte aus lebensgeschichtlichen Interviews bringen die Geschichten hinter den Bildern zum Vorschein.