Kesser Bubikopf und eng anliegender Hut, knabenhafte Gestalt mit Hose und Zylinder, kurzer Rock und rotgeschminkte Lippen mit Zigarette im Mundwinkel – so präsentiert sich die Neue Frau in jener ebenso goldenen wie krisenhaften Epoche zwischen den beiden Weltkriegen. Die Einführung des Frauenwahlrechts und der Zugang zu bisher Männern vorbehaltenen Tätigkeiten, gelockerte Moralvorstellungen und ein neues weibliches Selbstverständnis – die Veränderungen der Lebensumstände von Frauen waren in der Weimarer Republik so tiefgreifend, dass der Begriff der Neuen Frau sogar zur Signatur der Zwanziger Jahre und ihrer vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten wurde. Bildende Künstlerinnen sind neben Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen und Tänzerinnen schon durch ihre Berufswahl prädestiniert dafür, Repräsentantinnen dieser zwischen Utopie und Klischee changierenden Vorstellung der Neuen Frau zu sein. Darüber hinaus tragen sie selbst zur Visualisierung und damit zur Herausbildung die-ses legendären Typus‘ bei, denn die Bildende Kunst spielte hierfür eine entscheidende Rolle.
Die Ausstellung richtet den Fokus auf die weiblichen OEuvres der Neuen Sachlichkeit, und hinterfragt diese auch im Kontext der individuellen Biografi en, die nicht selten von Brüchen und Krisen gekennzeichnet sind. Denn die Neue Frau ist kein statisches Modell, sondern ein »Übergangsgeschöpf« auf der Suche nach künftigen Rollenmustern. Wie sich dies in den Werken der Künstlerinnen niederschlägt, reflektiert die Ausstellung insbesondere anhand der Selbstbildnisse und der Porträts von weiblichen Modellen. Darüber hinaus werden weitere, für die Neue Sachlichkeit wichtige Sujets wie Großstadtlandschaft, Caféhaus- und Varietévergnügungen, aber auch Motive aus dem Arbeitermilieu und sozialkritisch motivierte Darstellungen präsentiert. So ergibt sich ein facettenreiches Spektrum der ambivalenten Zeitepoche von schillernd-glamourösen bis hin zu verzweifelt-ärmlichen Szenen.