Seit dem 16. Jahrhundert wurde die Radierung als Reproduktions- und Vervielfältigungstechnik geschätzt und genutzt. Albrecht Dürer und Jacques Callot, der »peintre-graveur« Rembrandt und die Romantiker experimentierten mit dem Tiefdruck und schufen eigenständige Kunstwerke. Die Ausdrucksmöglichkeiten und Verfahren perfektionierten sich im Laufe der Zeit und führten zu einer beeindruckenden Bandbreite. Das Raffinement des Handwerklichen verbunden mit dem einzelnen Bildfindungsprozess begeistert die Kunstschaffenden wie die Betrachter bis heute – die mysteriös-faszinierende Alchemie der Tiefdrucktechnik ebenso wie die Bildideen, die ganz aus den spezifischen Bedingungen des Materials heraus generiert werden.
An der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart spielen die druckgrafischen Medien seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Die Werkstätten für Radierung und Lithografie haben eine lange Tradition, die sich bis heute trägt, denn sie werden von jungen Künstlerinnen und Künstlern als »Labor« für innovative Bildfindungen genutzt. Die Ausstellung präsentiert viele unbekannte Arbeiten von ehemals und aktuell Lehrenden sowie Studierenden aus dem Fundus der Stuttgarter Kunstakademie, ergänzt um Leihgaben aus Museums- und Privatbesitz. Gezeigt werden nicht nur grafische Blätter bedeutender Professoren der Akademie wie Bernhard Pankok, Willi Baumeister, K.R.H. Sonderborg, Alfred Hrdlicka oder Wolfgang Gäfgen, sondern auch Radierungen von zu Unrecht Vergessenen aus allen Epochen sowie aktuelle Arbeiten ganz junger Künstlerinnen und Künstler. Es bietet sich also eine Vielzahl von Entdeckungen und es ergibt sich nicht zuletzt ein spannender Überblick zur Geschichte der Radierkunst im 20. und 21. Jahrhundert.
Der Kupferstich, die Kaltnadel- und Ätzradierung, die Aquatinta- und Mezzotintotechnik oder das Vernis mou-Verfahren geben den gegenständlichen und den abstrakten Motiven einen ganz eigenen Reiz und Ausdruck, der in der Ausstellung anhand von mehr als 150 Blättern anschaulich wird. Dabei spannt sich der Bogen von der »Maler-Radierung« um 1900 bis hin zur unmittelbaren Gegenwart: von kleinformatigen, detailliert ausgearbeiteten Szenen bis hin zu großflächig angelegten Entwürfen. Einzelne Radierplatten, Probeabzüge und Zustandsdrucke geben Einblick in den Entstehungsprozess einer Radierung – einem nach wie vor höchst lebendigen Medium.