01.02.2008 - 27.04.2008
Otto Herbert Hajek (1927-2005) zählt seit seiner Teilnahme an der >documenta III< (1964) zu den bedeutenden Bildhauern in Deutschland; er ist einer der „Großen“ aus dem deutschen Südwesten. National wie international sind seine Platzgestaltungen und Großplastiken im öffentlichen Raum präsent. Sein Werk wird von mehreren Stiftungen gepflegt; wird in Museen und Galerien, Katalogen und Übersichtswerken vermittelt. Und auch sein kulturpolitisches Wirken ist unvergessen.
Die Singener Schau – in Kooperation mit den Museen: Städtische Galerie Karlsruhe, dem Georg Kolbe Museum Berlin und dem Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr entwickelt und maßgeblich durch die Nachlassverwaltung in Stuttgart und die Otto Herbert Hajek Kunststiftung der Sparda-Bank Baden-Württemberg unterstützt – verfolgt in ihrer Konzentration auf drei Schwerpunkte drei Intentionen:
1. Sie rückt, zuerst, den „frühen“ Hajek mit seinen gussrauen, organisch wuchernden Bronzegüsse (Unikate im Wachsausschmelzverfahren) aus den 1950er und 60er Jahren in den Fokus. Diese von ihm selbst als „Raumknoten“ und „Raumschichtungen“ bezeichneten Arbeiten zeigen Hajeks Beitrag zur Erneuerung der Plastik nach '45 und zur Kunst des Informel eindrücklich auf. Damit will die Ausstellung, ebenso wie der Katalog, einen Beitrag zur kunsthistorischen Forschung und zu einer neuen Rezeption leisten – zumal die Forschung und Vermittlung zwischenzeitlich von den Zeitgenossen auf eine jüngere Generation übergeht, die das Oeuvre aus historischer Distanz betrachtet. Hajek ließ die Tradition der raumverdrängenden Vollplastik mit glatter Oberfläche hinter sich und schuf – als einer der ersten Künstler in Deutschland – kernlose, ausgreifende, dabei filigrane, gitterartige Gefüge aus Stäben, Stegen und aufgestellten Scheiben, die Raum in sich aufnehmen; ja den Umgebungsraum in das Innere der Plastik hineinnehmen.
2. Ein Paukenschlag sind dann die „Zerschneidungen“ und „Farbwege“, die seit Anfang der sechziger Jahre entstanden. Ziel ist es, sowohl die Kontinuität raumbezogenen Arbeitens in Hajeks Schaffen, aber auch die Radikalität dieser zweiten Neuerung zu verdeutlichen. Der Bildhauer fügt rechteckige Stahlplatten hart in seine Bronzearbeiten ein, bändigt seine Formen durch geometrische Umfassungen und zieht, scheinbar zufällig, Farbbahnen über seine immer konstruktiver, strenger werdenden Bronze-, dann geschichteten Holz- und Stahlplastiken hinweg. Das Ungewöhnlichste ist, wie dieser Bildhauer die Farbe als Raumscheibe auffasst und in das Gefüge der Plastik einführt. Der „Farbweg“ tritt auf als eigenständiges gestalterisches, ja mitunter „störendes“ Element, zielt über die Plastik hinaus in den umgebenden Raum und spielt seine Flächigkeit gegen die Plastizität des Objekts aus. Der Betrachter wird so umso heftiger mit dem plastischen Objekt konfrontiert. Was im Blick auf die Autonomie der Plastik unverständlich erscheint, wird im Erleben des Raums durch die Plastik erst sinnvoll.
3. Von hier aus, konfrontiert mit der monumentalen (Beton-)Architektur des „neuen Bauens“ und seit den 1970er Jahren mit veränderten Platz- und Stadtplanungskonzepten, entwickelte Hajek, nunmehr konsequent mit neuen Materialien und in veränderten Dimensionen und Maßstäben arbeitend, seine Interventionen in den urbanen und öffentlichen Raum. Konsequent eroberte er der Plastik neue, humanisierende Aufgaben. Diese, im Wechselspiel zwischen Fläche und Dreidimensionalität agierend, wird in ein variationsreiches Repertoire rhythmisierter Artikulationen („Stadtikonographien“) und tektonischer, popig bunter Zeichen („Stadtzeichen“) überführt; Festarchitekturen und „Kunstlandschaften“ entstehen. Diesen dritten Aspekt vermitteln nicht allein Plastiken, sondern auch von Modelle, Entwürfe, Fotoarbeiten und Dokumente.
Hajeks öffentliches Werk der 70er Jahre steht heute, eben weil es bewusst die Grenzen zur Architektur und Platzgestaltung auflöste, in der Kritik. Durch das Betonen der räumlichen Bezüge in Hajeks Werk versteht sich die Singener Ausstellung aber auch als Beitrag zur Aktualität und den Aufgaben der Kunst im öffentlichen Raum. Auch in Singen wird über die zukünftige Gestaltung öffentlicher Plätze, des Stadtraums und über Fragen der Stadtentwicklung diskutiert. Schon einmal, 1987, führte die Aufstellung einer Plastik Hajeks in der Hauptfußgängerzone Singens zu Diskussionen – ganz im Sinne Hajeks, der seine „Zeichen“ auch als „Störmale“ verstand, welche „den Menschen mit seiner Umwelt konfrontieren“ und danach fragen, was die Kunst leisten kann: „Denn der öffentliche Raum ist kein abstrakter Raum, er umgibt den Menschen, er ist greifbar... Um einen Raum (...) erlebbar zu machen, bedarf es des bildnerischen Denkens und des bildnerischen Tuns“ (Hajek).