In Deutschland stand dieser erste Weltenbrand bisher in der öffentlichen Wahrnehmung im Schatten der nationalsozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkriegs. Dabei liegen die Ursachen für die jahrzehntelangen gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen Europas unmittelbar in den Ereignissen und Folgen des Ersten Weltkriegs begründet.
Während man im August 1914 auf allen Seiten zunächst mit Hurra-Begeisterung ins Feld zog, war die Euphorie eines schnellen Sieges bereits nach wenigen Wochen verflogen. Mit neuen Waffensystemen setzte man sich vor allem im Westen in einem zermürbenden und bis dahin unvorstellbar verlustreichen Stellungskrieg fest. Insgesamt betrug die Zahl der Getöteten nach neuen Untersuchungen circa 17 Millionen, die der Verwundeten 20 Millionen.
Das Städtische Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen zeigt anhand von Zeichnungen, Druckgrafiken und Gemälden aus der Sammlung Gerhard Schneider, wie Künstler das Zeitgeschehen unmittelbar verarbeiteten. In der Sammlung Schneider finden sich weit über 400 kritische Bilder, die die Folgen des Kriegs zwischen 1914 und 1918 thematisieren. Mit der Kunst zum Thema Erster Weltkrieg assoziiert man überwiegend Werke beispielsweise von Otto Dix, George Grosz oder Käthe Kollwitz – und damit vor allem die kritischen Positionen, die zumeist erst nach Ende des Kriegs in der Weimarer Republik bekannt wurden. Die große Fülle und Qualität der Arbeiten aus der Hand heute wenig bekannter oder nahezu in Vergessenheit geratener Künstler, die die Ereignisse bereits während des Kriegs und meistens unter dem strengen Blick der Zensur thematisierten, steht naturgemäß in deren Schatten.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Spendhaus macht es sich zur Aufgabe, gerade auch diese Werke vorzustellen und zu befragen. Das Spektrum des Gezeigten reicht daher von Beispielen eines unreflektierten Hurrapatriotismus über anekdotische, den Soldatenalltag verharmlosende Genredarstellungen einerseits und Motiven andererseits, die das Kriegsgeschehen symbolistisch überhöhen, bis schließlich zur kritischen Sicht auf die grausame Wirklichkeit des ersten modernen Kriegs.