© andreas130 / www.fotolia.de
KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Stiftung Ahlers Pro Arte / Kestner Pro Arte


Warmbüchenstr. 16
30159 Hannover
Tel.: 0511 519 497 41
Homepage

Öffnungszeiten:

Fr-So 12.00-17.00 Uhr

François Dufrêne, Raymond Hains: Une amitié entre l'art et les mots

16.04.2011 - 03.10.2011
François Dufrêne (1930-1982) und Raymond Hains (1926-2005) lernten einander 1955 in Paris kennen. Ersterer hatte zwischen 1946 und 1953, also seit ihrer Gründung, in Berührung mit der lettristischen Bewegung gestanden. Er hatte den »Ultralettrismus« und den »crirythme« (»Schreirhythmus«) entwickelt, die auf Spontaneität und direkter Tonbandaufnahme ohne jegliche konkrete Partitur beruhten. Zweiterer begeisterte sich seit 1944 für die Fotografie und vielerlei optische Experimente, die ihn zur Erfindung des »hypnagoscope« führten, einem System geriffelter Linsen, das es ihm erlaubte, Bilder zu verformen und bald darauf die Sprache aufzusprengen. 1949 realisierten Raymond Hains und sein Freund Jacques de La Villeglé ihre ersten Kurz- und abstrakten Filme. Auch lösten sie in Paris Plakate von den Mauern ab und präsentierten sie im selben Jahr als Bruchstücke einer ihrem Herkunftsort entrissenen Realität. Sowohl Hains als auch Dufrêne, denen gleichermaßen daran lag, die Sprache neu zu erfinden und sich der ästhetischen Konventionen zu entledigen, entfalteten ein paar Jahre darauf ein Werk, in dem Wörter und Sprechweisen sich von vorgegebenen Formen emanzipierten. Dufrêne schuf ein so plastisches wie poetisches Werk und eignete sich ebenfalls in der Stadt aushängende Plakate an, um sie in gewendeter Form auszustellen. Damit setzte er auf seine Weise die Methode fort, die Raymond Hains und Jacques de La Villeglé bereits 1949 eingeführt hatten. 1960 zählten beide zu den Unterzeichnern der Gründungserklärung des Nouveau Réalisme, einer Bewegung, die der französische Kritiker Pierre Restany angeregt hatte. Sie beteiligten sich an allen Veranstaltungen der Gruppe bis zur Retrospektive zum zehnjährigen Bestehen, die im November 1970 in Mailand stattfand. Die Werke von Raymond Hains und François Dufrêne verlaufen zueinander parallel, ohne sich zu gleichen. Beide Künstler sind zwar bekannt als Hauptvertreter der »Affichisten«, wie man sie gewöhnlich nennt, schufen aber auch Werke, in denen die Sprache und ihr mündlicher Ausdruck eine zentrale Stellung innehaben. Beide erfanden die historischen Avantgarden nachvollziehend neu und schöpften dabei doch fundamental aus einer archaischen Dichtungstradition, die sich vom reinen Buch unabhängig macht. Hains' und Dufrênes erfinderische und experimentelle Werke leisteten wesentliche Beiträge zur Geschichte des Denkens in der Nachkriegszeit. Offen für sämtliche Disziplinen, strebten sie nach einer allen Denkgebieten aufgeschlossenen Emanzipation. Hains' und Dufrênes zutiefst spielerische Werke, die darauf zielen, die Autorität des Diskurses zu dekonstruieren, um diesem eine neue Dimension zu verleihen, äußern auf radikale Weise den Willen zu einer Neubestimmung der Kunst und des Künstlers in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vorliegende Ausstellung versammelt beachtliche Konvolute aus dem Werk beider Künstler. Sie legt den Schwerpunkt auf ihre jeweils in den 1950er Jahren geschaffenen ersten Plakate, aber auch auf die theoretische Entwicklung ihres jeweiligen Schaffens. François Dufrêne, Autor zahlreicher polemischer und poetischer Texte, die er seit 1946 sein Leben lang veröffentlichte, erweiterte seine bildnerischen Erkundungen im Zuge von Arbeiten, die von 1973 bis zu seinem Tod wichtige Entwicklungsstufen markieren. Sein auf dem Begriff des »crirythme« beruhendes dichterisches Werk trug souverän zur Emanzipation einer Lautpoesie bei, in der Atmung und Stimme zusammenkommen. Dufrênes zahlreiche Tonaufnahmen sind die sinnfällige Spur seines so ikonoklastischen wie bewanderten Denkens, das in direktem Zusammenhang mit der gesellschaftlichen und kulturellen Zeitgeschichte stand. Die hier versammelten Werke von Raymond Hains decken das weite Feld seiner Forschungen ab. Hains, der ein echter Mythologe war, hat Form und Sprache unablässig in eine Folge endloser Assoziationen aufgespalten, in denen Bilder und Diskurse sich zur Parallelschilderung einer Geschichte verweben, deren faszinierender Zeuge und unverdrossener Erzähler er war.

KULTURpur empfehlen